Kaum jemand würde offen sagen:
“Ich trainiere mein Pferd mit Gewalt. Das halte ich für die beste Methode.”
Doch manchmal schleichen sich Verhaltensmuster ein, die wir gar nicht als „Gewalt“ erkennen – weil sie sich ganz normal anfühlen. Oder weil wir sie so gelernt haben.
Ich glaube, Gewaltfreiheit ist nicht die Abwesenheit von Härte, sondern die bewusste Entscheidung für einen anderen Weg. Hier ist, was ich darunter verstehe – und warum wir so oft an unsere Grenzen kommen.
Drei Gründe, warum Gewalt (oft unbemerkt) entsteht
Ich glaube, dass Gewalt im Pferdetraining nicht aus Absicht entsteht, sondern aus folgenden drei Ursachen:
1. Angst
Wenn wir überfordert sind, greifen wir zu dem, was am schnellsten scheinbar Kontrolle bringt.
Beispiel: Das Pferd wird beim Galoppieren immer schneller, die Panik steigt – und wir ziehen am Zügel, so fest wir können.
2. Unwissenheit
Wir haben es nicht anders gelernt.
Wenn der Reitlehrer sagt: „Fester treiben!“, dann tun wir das.
Nicht, weil wir gewalttätig sein wollen – sondern weil wir keine andere Lösung kennen.
3. Soziale Akzeptanz
Was alle machen, scheint normal.
Wenn im Stall Sprüche fallen wie „Dem musst du mal ordentlich eine mitgeben!“, dann wird Gewalt zur Routine. Zur „Lösung“ für schwierige Pferde.
Gewalt beginnt nicht im Stall
Ich glaube, dass Gewalt nicht beim Pferd beginnt.
Sie beginnt in unserem Alltag, in unserem Denken, in unseren Gewohnheiten.
Wenn es für mich normal ist, im Straßenverkehr die anderen Autofahrer zu beschimpfen,
wenn ich meine Kinder anschreie,
wenn ich mich selbst ständig abwerte –
dann ist es vielleicht auch normal, mein Pferd zu „maßregeln“.
Pferde sind Spiegel. Sie zeigen uns, wie wir mit anderen – und mit uns selbst – umgehen.
Gewaltfreiheit als Ziel – nicht als Status
Ich glaube, gewaltfreies Training ist kein Zustand, sondern ein Weg.
Es geht nicht um Perfektion, sondern darum neugierig und offen nach den besten Lösungen zu suchen.
Dazu braucht es:
- Selbstkontrolle
- Selbstreflexion
- und den Mut, zu lernen.
Statt sich zu rechtfertigen („Ich musste das machen!“) lohnt sich eine ehrliche Frage:
… Handle ich gerade aus Angst?
… Weil ich es nicht besser weiß?
… Oder weil ich denke, das ist wirklich der beste Weg?
Es gibt bessere Lösungen – du musst sie nur finden
Vielleicht kennst du die Alternativen noch nicht.
Vielleicht kennt sie auch deine Stallkollegin nicht – die ihr Pferd „den schlimmen Gaul“ nennt und sich nicht mehr ausreiten traut.
Aber: Es gibt Menschen, die neue Wege gefunden haben.
Trainer:innen, die auf Verständnis, Wissenschaft und Freiwilligkeit setzen.
Reiter:innen, die ihre Pferde nicht disziplinieren, sondern zuhören.
Wir haben als Pferdemenschen die Verantwortung, bessere Lösungen zu suchen – für unsere Pferde. Und für uns selbst.




